Homeoffice – Unfall und Schaden

Homeoffice hat sich pandemiebedingt weit verbreitet und wird wohl auch in Zukunft einen erheblich größeren Stellenwert als bisher erhalten. Nach einem Jahr seit der letzten Beschreibung der rechtlichen Rahmenbedingungen (hier unter Homeoffice – Rahmenbedingungen ) und einem Hinweis auf den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es zu Unfällen im Homeoffice auch die ersten höchstrichterlichen Entscheidungen:

Homeoffice - Unfall
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Bei Arbeitsunfällen gilt die Unterscheidung zwischen dem Weg zur Ort der Tätigkeit, einem Betriebsweg oder einem in der gesetzlichen Unfallversicherung unversicherten Weg.

Wegeunfall

Auch im Jahr 2021 hat sich an den gesetzlichen Regelung in § 8 Absatz 2 Nr. 1 SGB VII und der entsprechenden Rechtsprechung nichts geändert: Erforderlich ist nach wie vor das „Durchschreiten der Haustür“ (Originalformulierungen aus der Rechtsprechung). Dies bedeutet, dass bei Arbeiten im Homeoffice im eigenen Haus oder der Wohnung nie Versicherungsschutz bei einem Wegeunfall eintreten kann.

Zur Begründung wird in aktuellen Entscheidungen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9.11.2020, Az. L 17 U 487/19, nicht rechtskräftig) darauf hingewiesen, dass nur so die Grenze zwischen dem unversicherten häuslichen Lebensbereich dem versicherten Bereich objektiv im Interesse der Rechtssicherheit bestimmt werden könne.

Diese Unterscheidung dürfte aufgrund der pandemiebedingten und der politische gewollten Ausweitung des Arbeitens im Homeoffice überholt sein. Eine Änderung der Regulierungspraxis der Berufsgenossenschaften ist aufgrund der zunehmend restriktiven fiskalisch gesteuerten Regulierungspraxis aber nicht in Sicht.

Unfall auf Betriebsweg

Auch ohne „Durchschreiten der Haustür“ besteht eine Einstandspflicht der Berufsgenossenschaft für Unfälle auf sogenannten Betriebswegen. Nach der Definition handelt es sich hierbei um Wege „die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden“. Nach der feinsinnigen Unterscheidung des Landessozialgerichtes Nordrhein-Westfalen ist der Weg zum Homeoffice (genauso wie der Weg vom Homeoffice) „nachhause“ aber kein Betriebsweg. In dem entschiedenen Fall führte dies dazu, dass ein Arbeitnehmer, der auf dem Weg in das Homeoffice schwer gestürzt war, keine Leistungen der Berufsgenossenschaft erhielt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9.11.2020, Az. L 17 U 487/19, nicht rechtskräftig).

Anders wäre der Fall wohl zu entscheiden gewesen, wenn der Arbeitnehmer auf der gleichen Treppe gestürzt wäre, als er beispielsweise nach einem Druckauftrag aus dem Homeoffice aus einem entfernten Drucker Papier entnehmen wollte. Dies belegt bereits die Willkürlichkeit der vorgenommenen Unterscheidung.

Diese Entscheidung zeigt aber erneut, dass der häufig politisch in den Vordergrund gestellte Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung in der Praxis für keinen Arbeitnehmer ausreicht.

Eigene Absicherung gegen Unfall

Versicherungsschutz wäre in der vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen entschieden Fall nur durch eine private Unfallversicherung zu erhalten gewesen. Diese ist typischerweise schon mit monatlichen Beträgen von 8-15.- € zu erhalten.

Aufgrund des überschießenden Schutzes für Unfälle im Privatbereich können diese Prämien aber ohne gesonderte Vereinbarung weder ganz oder teilweise vom Arbeitgeber verlangt werden.

Eigene Absicherung gegen Schäden an Sachen des Arbeitgebers

Ein weiteres Thema ist die Haftung des Arbeitnehmers auf Schadenersatz für Schäden an vom Arbeitgeber überlassenen Gegenständen, wie Rechner, Bildschirme, Tatstaturen, Mäuse und Drucker. Hier kommt dem Arbeitnehmer sicherlich die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung nach den Grundsätzen der Arbeitsgerichtsbarkeit zu Gute. Es bleiben aber die Fälle grob fahrlässiger Verursachung, beispielsweise durch Kinder oder Haustiere.

Versicherungsschutz wäre für solche Fälle nur durch eine private Haftpflichtversicherung zu erhalten. Diese ist typischerweise schon mit monatlichen Beträgen von 5-6- € zu bekommen.

Auch hier gilt, dass aufgrund des überschießenden Schutzes für Unfälle im Privatbereich diese Prämien aber ohne gesonderte Vereinbarung weder ganz oder teilweise vom Arbeitgeber verlangt werden können.

Homeoffice-Vereinbarung notwendig

Eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Arbeit im Homeoffice ist in jedem Fall notwendig.

Neben Arbeitsschutzbelangen sollte die Aufmerksamkeit hier weniger auf die meist geringen Mehrkosten beim Stromverbrauch im Homeoffice sondern eher auf eine anteilige Beteiligung an Versicherungsprämien für eine private Unfall- und Haftpflichtversicherung für die Dauer des Homeoffice gerichtet sein, weil die Absicherung durch die gesetzliche Unfallversicherung und die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung nicht ausreicht.

Schadenersatz wegen Datenschutzverletzung im Arbeitsrecht

Datenschutzverletzung
Datenschutzverletzungen – Bild: pexels-sound-on-3761018.jpg

Als Schadenersatzansprüche wegen einer Datenschutzverletzung des Arbeitgebers kommen Schmerzensgeldansprüche des Arbeitnehmers aber auch Ansprüche wegen Aufwendungsersatz wegen Auslagen, etwa für Verfahren beim Datenschutzbeauftragten des Landes in Betracht.

Im Arbeitsrecht passieren Datenschutzverletzungen im Zusammenhang mit der Entgeltfortzahlung, der Kündigung aber auch bei der Einstellung neuer Mitarbeiter recht häufig.

Datenschutzverletzungen gegenüber der Krankenkasse

Nicht ganz selten sind die Fälle, in denen Mitarbeiter des Arbeitgebers über die Hausärzte oder Krankenkassen versuchen, nähere Informationen über die Art und Dauer der Erkrankung herauszubekommen. Die Krankenkassen dürfen aber nur zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit, § 275 I Nr. 3 Buchstabe b) SGB V tätig werden.

Datenschutzverletzungen gegenüber der Arbeitsagentur

Gegenüber der Arbeitsagentur werden im Zusammenhang mit einer streitigen Kündigung Informationen über § 312 SGB III hinaus angegeben.

Datenschutzverletzungen bei Bewerbungen

Im Zusammenhang mit einer Neueinstellung werden beim alten Arbeitgeber Informationen angefragt, die über den Zeugnisinhalt hinausgehen.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht Dresden hat in einem Urteil aus dem Jahr 2020 1.500.- € (steuerfrei) aufgrund eines Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)  wegen eines Verstoßes gegen die Weitergabe von Gesundheitsdaten an die Arbeitsagentur und eine weitere Behörde ausgeurteilt. Für die damit eingehende Rufschädigung sei dieser Betrag aufgrund des Gebots der effektiven Sanktionierung angemessen. Auch habe der Arbeitgeber die Aufwendungen trotz der Regelung in § 12a ArbGG  für die Beschwerde beim Datenschutzbeauftragten zu erstatten, weil dies die DSGVO gebiete (Arbeitsgericht Dresden, Urteil vom 26.8.2020).

Pflicht zur Corona-Impfung?

Corona-Impfung
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Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel konkretisiert für den nach dem Infektionsschutzgesetz festgestellten Zeitraum der epidemischen Lage von nationaler Tragweite die Anforderungen an den Arbeitsschutz. Der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard beschreibt die hierzu notwendigen technische, organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen. Danach hat der Arbeitgeber u.a. eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen, um Kollegen, Kunden und andere Arbeitnehmer zu schützen. Nach dem Arbeitsschutzgesetz ist der Arbeitnehmer zur Mitwirkung verpflichtet.

Ist man auch zur Impfung verpflichtet?

Eine gesetzliche Pflicht zur Impfung gibt es nicht und wird es (wohl) auch nicht geben. Es dürfte wohl auch unwahrscheinlich sein, dass die Tarifvertragspartner eine Impflicht in Tarifverträgen verankern.

Impfpflicht vor Arbeitsaufnahme?

Bei einer Neuaufnahme einer Tätigkeit, wird möglicherweise eine arbeitsvertragliche Impflicht aufgenommen werden. Wenn hierauf transparent hingewiesen wird und Tätigkeiten als Personen, die in stationären Einrichtungen zur Behandlung, Betreuung oder Pflege geistig oder psychisch behinderter Menschen tätig sind oder im Rahmen ambulanter Pflegedienste regelmäßig geistig oder psychisch behinderte Menschen behandeln, betreuen oder pflegen,    Personen, die in Bereichen medizinischer Einrichtungen mit einem hohen oder erhöhten Expositionsrisiko in Bezug auf das Coronavirus SARS-CoV-2 tätig sind, insbesondere Ärzte und sonstiges Personal mit regelmäßigem unmittelbarem Patientenkontakt, Personal der Blut- und Plasmaspendedienste und in SARS-CoV-2-Testzentren, Polizei- und Ordnungskräfte, die in Ausübung ihrer Tätigkeit zur Sicherstellung der öffentlichen Ordnung, insbesondere bei Demonstrationen, einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind, sowie Soldatinnen und Soldaten, die bei Einsätzen im Ausland einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind, Personen, die in Kinderbetreuungseinrichtungen, in der Kindertagespflege und in Grundschulen, Sonderschulen oder Förderschulen tätig sind, Personen, die im öffentlichen Gesundheitsdienst oder in besonders relevanter Position zur Aufrechterhaltung der Krankenhausinfrastruktur tätig sind, Personen, die in Einrichtungen nach § 36 Absatz 1 Nummer 3 oder Nummer 4 des Infektionsschutzgesetzes untergebracht oder tätig sind, Personen, die im Rahmen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a des Elften Buches Sozialgesetzbuch regelmäßig bei älteren oder pflegebedürftigen Menschen tätig sind (§ 3 Absatz 1 Coronavirus-Impfverordnung) dürfte dies nicht ohne weiteres unwirksam sein.

Impfpflicht im bestehenden Arbeitsverhältnis?

Denkbar wäre eine Anweisung zur Impfung im Rahmen der Direktionspflicht nach § 106 Gewerbeordnung. Außerhalb der oben beschriebenen Tätigkeiten (§ 3 Absatz 1 Coronavirus-Impfverordnung) dürfte dies unwirksam sein, d.h. nicht mehr „billigem Ermessen“ des Arbeitgebers entsprechen.

Zutritt zum Arbeitsplatz nur mit Impfung?

Außerhalb der oben beschriebenen Tätigkeiten (§ 3 Absatz 1 Coronavirus-Impfverordnung) könnte versucht werden, dies auf das Hausrecht des Arbeitgebers zu stützen. Grundsätzlich wäre dies zulässig. Folge wäre aber die Pflicht zur Weiterzahlung der Vergütung als sogenannten Annahmeverzugslohn.

Hausrecht von Auftraggebern und Kunden?

Dritte Private  können ihre Rechtsbeziehungen grundsätzlich frei gestalten. Außerhalb größerer Veranstaltungen wäre dies zulässig. Eine andere Frage wäre, ob Annahmeverzugslohnansprüche gegenüber dem eigenen Arbeitgeber bestehen.

Die Ausübung des Hausrechtes durch Auftraggeber und Dritte wäre auch kein Verstoß das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, da der Impfstatus kein Merkmal der dort gesetzlich geregelten Diskriminierung ist.

Frage nach der Impfung zulässig?

Ob man geimpft ist oder nicht, ist eine besonders geschützte personenbezogene Information im Sinne des Datenschutzgrundverordnung. Außer bei den oben beschriebenen Berufen im Sinne von § 3 Absatz 1 Coronavirus-Impfverordnung ist die Information nicht für die „Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis“ notwendig.

Eine noch dazu formularmäßige Einwilligung des Arbeitnehmers zur Informationserhebung wäre gemäß Art 7 IV Datenschutzverordnung nicht mehr freiwillig und rechtswidrig.

Urlaub bei fristloser Kündigung

Urlaub in der Kündigungsfrist
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Urlaubsgewährung und fristlose Kündigung widersprechen sich? Nicht in dem Fall, in dem gleichzeitig auch vorsorglich fristgemäß gekündigt wird, meint das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 2020.

Urlaubsabgeltung und hilfsweise Urlaubsgewährung

Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber Urlaubsabgeltung gezahlt und in der Kündigung darauf hingewiesen, dass die gezahlte Urlaubsabgeltung im Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung dann als Zahlung der Urlaubsvergütung während der der laufenden Kündigungsfrist zu verstehen sei.

Der Arbeitnehmer machte geltend, dass gezahlte Urlaubsabgeltung nicht gleichzeitig Urlaubsvergütung sei und nach Zugang der fristlosen Kündigung keine Arbeitspflicht bestanden habe. Ohne Arbeitspflicht gäbe es jedoch keinen Urlaub. Außerdem habe er sich unverzüglich bei der Arbeitsagentur melden müssen und deshalb keine Freizeit gehabt.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hält diese bedingte Urlaubsgewährung für zulässig. Da der Arbeitnehmer keine andere Urlaubsplanung vorgelegt habe, könne der Arbeitgeber einseitig Urlaub festlegen. Eine vorsorgliche Urlaubsgewährung für den Fall einer Unwirksamkeit einer Kündigung sei wirksam, wenn die Befreiung von der Arbeitspflicht unwiderruflich sei und vorbehaltlos die Zahlung der Urlaubsvergütung erfolgt wäre.

Bedingte Urlaubsgewährung zulässig

Das Bundesarbeitgericht meint, dass bei Urlaubsgewährung noch keine abschließende Gewissheit darüber bestehen muss, ob der Arbeitnehmer in dem Zeitraum überhaupt arbeiten müsse. Es sei auch unbeachtlich, ob der Arbeitnehmer während seines „Urlaubes“ Pflichten gegenüber der Arbeitsagentur zu erfüllen habe, für die Arbeitsagentur verfügbar sein müsse  und sich um neue Arbeitsmöglichkeiten zu kümmern habe.

Eine uneingeschränkte  Möglichkeit zur selbstbestimmten Nutzung der Freizeit sei eben nicht erforderlich, da dies das Lebensschicksal des Arbeitnehmers beträfe.

Das Gebot fairen Verhandelns

Vertragsreue
Vertragsreue – Photo by Anna Shvets from Pexels

ist eine Wiederbelebung eines Konstruktes aus Mitte der 2000er Jahre durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Entscheidung aus dem Jahr 2019.

Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrages

Es soll in den Fällen, in denen z.B.  eine Anfechtung eines übereilt geschlossenen Aufhebungsvertrages nicht (mehr) in Betracht kommt, auch zur Unwirksamkeit eines solchen Aufhebungsvertrages führen. Rechtlich handele es sich hierbei um die Verletzung einer Nebenpflicht, wenn eine Verhandlungssituation herbeigeführt oder ausgenutzt würde, die gegenüber dem Vertragspartner unfair sei. Dies läge immer dann vor, wenn die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners „in zu missbilligender Weise beeinflusst“ würde.

Beispiele für Verstösse gegen das Gebot fairen Verhandelns

Beispielhaft werden die Schaffung unangenehmer Rahmenbedingungen für ein Gespräch, das Ausnutzen körperlicher oder psychischer Schwäche,  das Ausnutzen von unzureichenden Sprachkenntnissen oder überhaupt die Nutzung eines Überraschungsmomentes „ohne triftigen Grund“ vom Bundesarbeitsgericht genannt.

Folge sei, dass ein unter diesen Bedingungen geschlossener Vertrag unwirksam ist und beispielweise bei einem unwirksamen Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortzusetzen ist. Hier können z.B. nicht unerhebliche  Vergütungsforderungen seit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages im Raum stehen.

Darlegungs- und Beweislast

Die Darlegungs- und Beweislast für einen solchen Verstoß trifft denjenigen, der sich auf den Verstoß berufen will, wobei allerdings Beweiserleichterungen bestehen.

Insgesamt ist festzustellen, dass mit der Schaffung dieses Gebotes ausdrücklich „unterhalb“ der Anfechtungstatbestände oder einer Prüfung der Sittenwidrigkeit ein Gutteil an Rechtsunsicherheit für beide Vertragsparteien im arbeitsgerichtlichen Verfahren hinzugekommen ist.

Urlaub während der Pandemie 2020

Urlaub auf dem Balkon
Urlaub auf Balkonien? – Foto von Daria Shevtsova von Pexels

Im Zusammenhang mit dem Lockdown stellen sich diverse Fragen zum Urlaub im laufenden Arbeitsverhältnis:

Anordnung von Betriebsferien

Zum einen kann es den Wunsch geben, für die Zeit von behördlich angeordneten Schließungen von Geschäften aber auch beim Auftreten von erheblichen Umsatz- und Ertragseinbußen zwangsweise Betriebsferien anzuordnen. Dies wäre in folgenden Konstellationen möglich:
• Wenn es noch keinen genehmigten Urlaubsplan gibt und eine Ankündigungsfrist von etwa zwei Wochen gewahrt ist und nicht der gesamte Jahresurlaub für die Betriebsferien eingesetzt wird, dürfte dies zulässig sein. Denn nach dem Bundesurlaubsgesetz sind zwar die Urlaubswünsche eines Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Dies gilt jedoch nicht, wenn „ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange“ entgegenstehen. In Betrieben mit Betriebsräten ist eine vorherige Beteiligung des Betriebsrates erforderlich.
• Wenn es einen genehmigten Urlaubsplan gibt, ist eine Abweichung und die Anordnung von Betriebsferien ungeachtet der obigen Voraussetzungen nur einvernehmlich möglich. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer eine Verlagerung des Urlaubes zustimmen muss. Dies stellt eine komfortable Verhandlungsposition dar, mit der unter anderem die Übernahme von Storno-Kosten bei Pauschalreisen erreicht werden kann. Andererseits ist zu berücksichtigen, ob mittel- oder langfristig eine Verweigerungsposition in der derzeit wirtschaftlich schwierigen Situation für von Betriebsschließungen und/oder Umsatz-Einbußen betroffene Betriebe sinnvoll ist.


Urlaub und Kurzarbeit

Zum anderen stellt sich die Frage, ob während der Kurzarbeit eine Urlaubsgewährung möglich ist und für die Zeiten einer angeordneten Kurzarbeit „Null“ Urlaubsansprüche entstehen:
• Voraussetzung für die Gewährung von Kurzarbeit durch die zuständige Arbeitsagentur ist, dass jedenfalls alle Resturlaubsansprüche aus dem Jahr 2019 erledigt und eingebracht sind. Nach der neueren Rechtsprechung verfällt im bestehenden Arbeitsverhältnis der Resturlaubsanspruch zum Ende eines Kalenderjahres nur, wenn dem Arbeitgeber der Nachweis für eine entsprechende Mitteilung gelingt, wonach der Urlaub rechtzeitig bis zum Ablauf eines Jahres genommen soll und ansonsten verfällt.
• Wenn Urlaub aus dem laufenden Jahr während einer angeordneten Kurzarbeit Null gewährt wird, ist dieser natürlich in Höhe des ungekürzten Verdienstes zu vergüten.
• Bei länger andauernder Kurzarbeit „Null“ ist zu beachten, dass nach der neuen europarechtlichen Rechtsprechung für diese Zeiten kein Urlaubsanspruch entsteht und daher eine anteilige Kürzung des Jahres-Urlaubsanspruches für Zeiten der Kurzarbeit „Null“ erfolgt.


Nichtantritt des Urlaubs

Viele Arbeitnehmer sind auch davon betroffen, dass sie aufgrund der Hotel-Schließungen bzw. Einreisebeschränkungen kein Interesse haben, den eigentlich geplanten und genehmigten Urlaub anzutreten.
• Der „Nichtantritt des Urlaubs“ ist aber nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich. Hintergrund hierfür ist, dass der Urlaub im arbeitsrechtlichen Sinne nicht voraussetzt, dass bestimmte und besondere Erholungsbedürfnisse des Arbeitnehmers befriedigt werden. Urlaub bedeutet lediglich die Freistellung von der Arbeitspflicht.
• Aus den gleichen Gründen wäre auch ein „Ansparen des Urlaubs“ und ein Antritt im Jahr 2021 vorbehaltlich der oben angesprochenen Mitteilungspflichten des Arbeitgebers nicht möglich.

Mobiles Arbeiten – Homeoffice

Homeoffice
Homeoffice im Wohnzimmer – Foto von Gantas Vaičiulėnas von Pexels

Aufgrund der Corona-Pandemie ist Mobiles Arbeiten oder Homeoffice mit einem Schlag weit verbreitet. Was gilt in arbeitsrechtlicher Hinsicht für die beiden Arbeitsmethoden?

Unter mobilen Arbeiten (mobile working) versteht man, dass die Arbeitsleistung unabhängig von einem festen Arbeitsplatz und einem festen Arbeitsort z.B. auf einer Reise erbracht werden. Homeoffice (teilweise auch als Telearbeit bezeichnet) liegt vor, wenn die Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer zuhause erbracht wird, teilweise auch kombiniert mit Modellen, wonach eine bestimmte Anzahl von Tagen im Betrieb verbracht werden müssen.

Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Homeoffice oder mobiles Arbeiten besteht für einen Arbeitnehmer außerhalb von einschlägigen Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Regelungen im Arbeitsvertrag nicht. Umgekehrt kann der Arbeitgeber zwar mobiles Arbeiten im Rahmen des Direktionsrechts anordnen, jedoch ist nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung jedenfalls die Anordnung ausschließlicher Tätigkeit im Homeoffice nicht mehr vom Direktionsrecht gedeckt.

Bei beiden Arbeitsmethoden bleibt der Arbeitgeber verpflichtet, die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes gegebenenfalls stichprobenartig zu kontrollieren und sicherzustellen. Dies wird nur im Rahmen eines rechnergestützten Arbeitszeitsystems möglich sein. Ebenso ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Belange des Arbeitsschutzes beim Homeoffice sicherzustellen. Abgesehen von entsprechenden Regelungen in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder im Arbeitsvertrag besteht jedoch kein Recht des Arbeitgebers zur „Besichtigung“ des Homeoffice. Die Frage stellt sich bei mobilen Arbeiten nicht, da es sich hier um wechselnde Arbeitsstätten handelt.

Bei beiden Arbeitsmethoden bleibt der Arbeitgeber verpflichtet, die Belange des Datenschutzes (DSGVO) sicherzustellen. Dies wird nur durch dokumentierte Belehrungen sicherzustellen sein. Vor diesem Hintergrund wird es sinnvoll sein, dass der Arbeitgeber selbst entsprechende (stromsparende) Arbeitsmittel für den Zugriff auf das Firmennetzwerk zur Verfügung stellt. Eine einseitige Anordnung des Arbeitgebers, private Arbeitsmittel zu nutzen, wäre unwirksam.

Auch bei mobilen Arbeiten oder Arbeiten im Homeoffice gilt grundsätzlich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung kommt es in diesem Zusammenhang darauf an, ob der Arbeitnehmer im Unfallzeitpunkt tatsächlich für den Arbeitgeber gearbeitet hat und dies auch nachweisen kann. Nach den bisherigen Erfahrungen verhalten sich die Berufsgenossenschaften in diesem Zusammenhang kleinlich, sodass der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung und/oder die Einbeziehung in einen privaten Gruppenunfallversicherungsvertrag des Arbeitgebers sinnvoll ist.

Corona/COVID-19 Arbeitsrechtliche Folgen

COVID-19
Notwendiger Coronaschutz? – Foto von cottonbro von Pexels

Seit der Presseerklärung der Bundeskanzlerin vom 12.3.2020 zu Corona bzw. COVID-19 und den Allgemeinverfügungen einzelner Ministerpräsidenten sind eine Vielzahl von Maßnahmen erlassen worden. Nach dem Kabinettsbeschluss der Landesregierung M-V vom 17.3.2020 sind ab dem 18.3.2020 Geschäftsschließungen im Einzelhandel und sonstigen Freizeiteinrichtungen, Öffnungsbeschränkungen in der Gastronomie, Untersagungen von Beherbergungen, Verbote von touristischen Reisen, Betretungseinschränkungen für Pflegeheimen und Jugendeinrichtungen und Verbote von größeren Zusammenkünften angeordnet.

Welche Folgen ergeben sich hieraus für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

  • Bei einer Erkrankung eines einzelnen Arbeitnehmers/in  gilt die normale sechswöchige Entgeltfortzahlung. Anschließend besteht ein Krankengeldanspruch.
  • Bei Erkrankung des Kindes besteht ein Krankengeldanspruch gegen die Krankenkasse nach § 45 SGB V.
  • Wenn die Betreuung der Kinder wegen Schließung der Kita oder Schule nicht abgesichert ist, ist eine kurzfristige Überbrückung durch den Arbeitgeber und anschließend eine Entschädigung gegenüber dem anordnenden Land möglich.
  • Die allgemeine Furcht eines einzelnen Arbeitnehmers/in  vor Ansteckungsgefahr rechtfertigt keine Arbeitsunfähigkeit oder Erstattungsleistungen.
  • Bei behördlicher Schließung gehen manche Verfasser von einem Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber aus. Richtiger dürfte sein, nach der in der Schließungsverfügung der Behörde angegebenen Ermächtigungsgrundlage zu differenzieren. Insbesondere kann man sich nicht auf das sogenannte Betriebsrisiko berufen: Ein Annahmeverzug des Arbeitgebers liegt gerade nicht vor, er will ja grundsätzlich weiterarbeiten… Es dürften zumeist Ansprüche gegenüber der anordnenden Behörde in Betracht kommen.
  • Wenn der Arbeitgeber den Betrieb aus eigenem Antrieb selbst schließt, ist er zur Fortzahlung der Vergütung während der Dauer der Schließung verpflichtet.
  • Eine Anordnung von Betriebsferien unter Anrechnung auf den Urlaub durch den Arbeitgeber wäre möglich, aber mitbestimmungspflichtig.
  • Sonstige Anordnungen des Arbeitgebers zu besonderen Hygienevorschriften oder Unterlassung von Dienstreisen wären möglich, aber ggf. auch mitbestimmungspflichtig.
  • Der Arbeitgeber kann auch Kurzarbeitergeld bei der Arbeitsagentur beantragen, bei Betriebsratsbetrieben ist dies auch mitbestimmungspflichtig. Vorerst befristet bis Ende 2020 gibt es Sonderregelungen. Näheres unter folgendem Link . Der Antrag ist hier zu finden. Dem Antrag ist eine Einverständniserklärung der Mitarbeiter zur Kurzarbeit, sinnvollerweise bis einschließlich “Kurzarbeit Null” beizufügen.

Für Beamte gelten Sonderregelungen, insbesondere aufgrund der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und aufgrund von Sondervorschriften, wie z.B. von Sonderurlaubsverordnungen.

Keine Verzugspauschale für Arbeitnehmer

In § 288 Absatz 5 BGB ist eine Verzugspauschale von 40.- EUR als Mindestschaden zwischen einem Verbraucher unter einen Unternehmer geregelt. Unzählige Arbeitsgerichte und nahezu alle Landesarbeitsgerichte haben diese Regelung auch im Arbeitsverhältnis für anwendbar gehalten, nachdem schon länger geklärt war, dass ein Arbeitnehmer einem Verbraucher gleichzustellen sei. Diese Rechtsanwendung war auch sinnvoll, da es bei einem Verzug mit der Zahlung von Arbeitslohn oder sonstigem Entgelt bei dem derzeitigen Zinsniveau zumeist nur ein Verzugsschaden von wenigen Euro nachweisbar war und damit keine wirksame Sanktion für Zahlungsverzug im Arbeitsverhältnis vorlag.

Überraschend hat dann das Bundesarbeitsgericht am 25.9.2018 (Az. 8 AZR 26/18) entschieden, dass die prozessuale Regelung des § 12a Absatz 1 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz zur fehlenden Erstattungsmöglichkeit von Kosten von Bevollmächtigen oder für eigenen Zeitaufwand zwar nicht auf die Regelung zu Verzugszinsen aber auf die Verzugspauschale in § 288 Absatz 5 BGB anwendbar sei. Denn die arbeitsgerichtliche Regelung sei das speziellere Gesetz.

Diese Entscheidung ist zu Recht kritisiert worden, weil die Schadenersatzpauschale zur Umsetzung einer europarechtlichen Richtlinie vom 16.2.2011 später in Kraft getreten ist und damit von der gesetzgeberischen Zielsetzung nicht durch ein älteres Gesetz, welches den Anspruch noch gar nicht kannte, verdrängt werden kann. Hier bleibt abzuwarten, ob diese Rechtsprechung europarechtlich korrigiert werden kann, da durch diese Rechtsprechung die Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug in Frage gestellt wird.

Urlaubsübertragung auf das folgende Jahr oder Verfall des Urlaubsanspruches?

Nach einem jetzt veröffentlichen Urteil, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 6. November 2018,  Az.  C‑684/16) entschieden, dass die Vorschrift des § 7 Absatz 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)  von den deutschen Arbeitsgerichten nur so ausgelegt werden dürfte, dass ein Urlaubsanspruch nicht mehr automatisch zum 31.12.verfällt.

Denn das Recht jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub sei  nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen. Ein Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub sei mit diesen Grundsätzen unvereinbar.

Ein Arbeitgeber sei „in Anbetracht des zwingenden Charakters des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub und angesichts des Erfordernisses, die praktische Wirksamkeit von Art. 7 der Richtlinie 2003/88 zu gewährleisten, u. a. verpflichtet, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun, und ihm, damit sichergestellt ist, dass der Urlaub ihm noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird.“ Die Beweislast für solche Aufforderungen trage der Arbeitgeber.  Immerhin formuliert der EUGH ausdrücklich,  dass diese Verpflichtungen der Arbeitgebers nicht so weit gehen könnten, dass die Arbeitnehmer gezwungen würden, ihren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrzunehmen.

Die Arbeitsgerichte hätten daher die Regelung des § 7 Absatz 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)  eine Regelung unangewendet zu lassen, soweit keine Aufforderung des Arbeitgebers nachzuweisen ist, Urlaub zu nehmen.