Keine Verzugspauschale für Arbeitnehmer

In § 288 Absatz 5 BGB ist eine Verzugspauschale von 40.- EUR als Mindestschaden zwischen einem Verbraucher unter einen Unternehmer geregelt. Unzählige Arbeitsgerichte und nahezu alle Landesarbeitsgerichte haben diese Regelung auch im Arbeitsverhältnis für anwendbar gehalten, nachdem schon länger geklärt war, dass ein Arbeitnehmer einem Verbraucher gleichzustellen sei. Diese Rechtsanwendung war auch sinnvoll, da es bei einem Verzug mit der Zahlung von Arbeitslohn oder sonstigem Entgelt bei dem derzeitigen Zinsniveau zumeist nur ein Verzugsschaden von wenigen Euro nachweisbar war und damit keine wirksame Sanktion für Zahlungsverzug im Arbeitsverhältnis vorlag.

Überraschend hat dann das Bundesarbeitsgericht am 25.9.2018 (Az. 8 AZR 26/18) entschieden, dass die prozessuale Regelung des § 12a Absatz 1 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz zur fehlenden Erstattungsmöglichkeit von Kosten von Bevollmächtigen oder für eigenen Zeitaufwand zwar nicht auf die Regelung zu Verzugszinsen aber auf die Verzugspauschale in § 288 Absatz 5 BGB anwendbar sei. Denn die arbeitsgerichtliche Regelung sei das speziellere Gesetz.

Diese Entscheidung ist zu Recht kritisiert worden, weil die Schadenersatzpauschale zur Umsetzung einer europarechtlichen Richtlinie vom 16.2.2011 später in Kraft getreten ist und damit von der gesetzgeberischen Zielsetzung nicht durch ein älteres Gesetz, welches den Anspruch noch gar nicht kannte, verdrängt werden kann. Hier bleibt abzuwarten, ob diese Rechtsprechung europarechtlich korrigiert werden kann, da durch diese Rechtsprechung die Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug in Frage gestellt wird.

Urlaubsübertragung auf das folgende Jahr oder Verfall des Urlaubsanspruches?

Nach einem jetzt veröffentlichen Urteil, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 6. November 2018,  Az.  C‑684/16) entschieden, dass die Vorschrift des § 7 Absatz 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)  von den deutschen Arbeitsgerichten nur so ausgelegt werden dürfte, dass ein Urlaubsanspruch nicht mehr automatisch zum 31.12.verfällt.

Denn das Recht jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub sei  nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen. Ein Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub sei mit diesen Grundsätzen unvereinbar.

Ein Arbeitgeber sei „in Anbetracht des zwingenden Charakters des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub und angesichts des Erfordernisses, die praktische Wirksamkeit von Art. 7 der Richtlinie 2003/88 zu gewährleisten, u. a. verpflichtet, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun, und ihm, damit sichergestellt ist, dass der Urlaub ihm noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird.“ Die Beweislast für solche Aufforderungen trage der Arbeitgeber.  Immerhin formuliert der EUGH ausdrücklich,  dass diese Verpflichtungen der Arbeitgebers nicht so weit gehen könnten, dass die Arbeitnehmer gezwungen würden, ihren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrzunehmen.

Die Arbeitsgerichte hätten daher die Regelung des § 7 Absatz 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)  eine Regelung unangewendet zu lassen, soweit keine Aufforderung des Arbeitgebers nachzuweisen ist, Urlaub zu nehmen.

Rufbereitschaft als (vergütungspflichtige) Arbeitszeit

Der Europäisches Gerichtshof (EuGH) hat im Urteil vom 21.2.2018 (Az. C-518/15) entschieden, dass kein Mitgliedsstaat bei der Definition vergütungspflichtiger Arbeitszeit von der Richtlinie 2003/88/EG abweichen könne. Eine Bereitschaftszeit, die die Möglichkeit, anderweitige Tätigkeiten ausüben zu können, stark einschränke, sei Arbeitszeit.

Es gäbe zwar keine Verpflichtung die gleiche Vergütung für Arbeitszeit und Ruhezeit zu zahlen. Bereitschaftszeit am Arbeitsplatz sei aber immer vergütungspflichtige Arbeitszeit. Bereitschaftszeit, die zwar zu Hause verbracht werden könne, bei der innerhalb von 8 Minuten die Arbeit begonnen werden müsse, sei jedoch eine so starke Einschränkung der persönlichen und sozialen Interessen, dass es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit handele.

Auch sei jeder als Arbeitnehmer anzusehen, der eine tatsächliche Tätigkeit für einen Anderen nach dessen Weisung ausübe und hierfür eine Vergütung erhalte. Welche Rechtsnatur das Arbeitsverhältnis im Einzelnen habe, sei unbeachtlich. Den einzelnen Mitgliedsstaaten sei es insofern nur erlaubt, günstigere Regelungen vorzusehen.

Vergütung von Überstunden

Insbesondere nach der Beendigung von Arbeitsverhältnissen gibt es häufig Streit über die Vergütung von Überstunden. Häufig scheidet eine Vergütung aufgrund der Nichtwahrung tariflicher oder arbeitsvertraglicher Ausschluss fristen aus. Dies gilt aber nicht, wenn ein Arbeitszeitkonto zwischen den Parteien vereinbart war.

Ein weiterer Streitpunkt ist der Nachweis von geleisteten Überstunden durch den Arbeitnehmer. Leichter ist dies bei Arbeitszeiterfassungssystemen. Bei Berufskraftfahrern reicht es nach Auffassung der Bundesarbeitsgerichtes (BAG, Urteil vom 21.12.2016, Az. 5 AZR 362/16) in einem ersten Schritt aus, wenn ausgehend von der Fahrerkarte, Anfangs- und Endzeiten der Touren angegeben werden. Es sei dann Aufgabe des Arbeitgebers, im Einzelnen vorzutragen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer in geringerem Umfang gearbeitet habe. Dies sei üblicherweise auch möglich, weil der Arbeitgeber Arbeitszeit-Aufzeichnungen im Straßentransport zwei Jahre aufbewahren müsse und der Arbeitnehmer in dieser Zeit auch Anspruch auf Herausgabe von Kopien habe. Entgegen einer vielfach vertreten Auffassung seien nicht nur Standzeiten, die der Arbeitsvorbereitung oder dem Be- und Entladen dienen zu vergüten, sondern auch Standzeiten in einer Warteschlange zum Aufrücken an der Abladestelle (BAG, Urteil vom 21.12.2016, Az. 5 AZR 362/16).

Versetzung und Direktionsrecht

Eine ganz wesentliche Änderung bei Versetzungen hat nun das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 18.10.2017, Az. 10 AZR 330/16) entschieden: Bislang war es herrschende Rechtsprechung, wonach sich ein Arbeitnehmer nicht über Weisungen des Arbeitgebers hinwegsetzen dürfe sondern die Weisung, z.B. eine Versetzung zunächst bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung eines Arbeitsgerichtes zu befolgen sei. Nach einigen Monaten werde dann gerichtlich geklärt, ob die Weisung des Arbeitgebers billigem Ermessen entspräche oder ob es sich um sog. unbillige Weisung gehandelt habe.

Das Bundesarbeitsgericht stellt nun klar, dass unbillige Weisungen, d.h. ungerechte, unangemessene und unzumutbare Anweisungen zum Arbeitsort, zu Arbeitszeiten und zu Arbeitsinhalt nicht vorläufig zu befolgen sind. Der Arbeitnehmer trägt aber das Risiko, dass ein Arbeitsgericht von einer billigen Weisung ausgeht. Wenn er aber nicht gegen eine unbillige Weisung vorgeht, kann er seine Rechte auch verwirken (BAG, Urteil vom 18.10.2017, Az. 10 AZR 330/16).

Ausschlussfristen und Schadenersatz des Arbeitgebers

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 15. Dezember 2016, Az. 6 AZR 578/15) hatte einen Fall zu entscheiden, in dem es der Arbeitnehmer versäumt hatte, Zahlungsforderungen rechtzeitig geltend zu machen, so dass diese nach der vereinbarten Ausschlussfrist verfallen waren. Er hatte geltend gemacht, dass ihm ein entsprechender Schadensersatzanspruch gegenüber dem Arbeitgeber zustände, weil in dieser ihm eine falsche Auskunft gegeben habe.

Das Bundesarbeitsgericht stellt klar, dass es keine allgemeine Pflicht des Arbeitgebers gäbe, Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen. Wenn er aber Auskünfte erteile, müssten diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Eine Auskunft setze aber voraus, dass der Arbeitnehmer eindeutig Informationen vom Arbeitgeber zu bestimmten Fragen verlangt hätte. Selbst wenn dies erfolgt wäre, hafte der Arbeitgeber lediglich, wenn er schuldhaft eine falsche oder unvollständige Auskunft erteilt habe (Urteil BAG, Urteil vom 5. Dezember 2016, Az. 6 AZR 578/15). Bei dieser Bewertung sei im Übrigen zu berücksichtigen, welche Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers über Verbände, etc. gegeben seien und ob nicht seitens des Arbeitnehmers ein Mitverschulden vorläge, weil dieser eigene Beratungsmöglichkeiten über Rechtssekretär oder Rechtsanwälte versäumt hätte (BAG, Urteil vom 10. Juli 2012, Az. 9 AZR 11/11).

Unfallversicherungsschutz im Home-Office

Das Bundessozialgericht (BSG) unterscheidet bei einem Home-Office, ob es sich um eine zusätzliche Arbeitsgelegenheit handele, die sich ein Arbeitnehmer in seinen privaten, unversicherten Lebensbereich eingerichtet hat, um „außerhalb der Bürozeiten“ zusätzliche Arbeiten zu erbringen. Unfälle in diesem Bereich unterfallen nie dem Unfallversicherungsschutz (BSG, Urteil vom 18.06.2013, B 2 U 7/12 R).

Nur bei einem Home-Office, bzw. Telearbeitsplatz, der arbeitsvertraglich geregelt und mit finanzieller Unterstützung und Billigung des Arbeitgebers der vertraglichen Arbeitserbringung diene, käme überhaupt ein Versicherungsschutz durch die gesetzliche Unfallversicherung in Betracht. Hier werde dann überprüft, ob die Tätigkeit im unmittelbaren Betriebsinteresse erfolge. Bei „gemischter Motivationslage“ sei danach zu entscheiden, ob objektiv eine Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis erfüllt werde (BSG, Urteil vom 05.07.2016, B 2 U 5/15 R). Breiten Raum nehmen in der vorgenannten Entscheidung Ausführungen dazu ein, dass weder der Arbeitgeber noch der Unfallversicherungsträger in der Lage wären, präventive Maßnahmen der Arbeitsplatzsicherheit zu ergreifen. Diese Ausführungen legen nahe, dass wenn überhaupt nur der unmittelbare Aufenthalt am Schreibtisch des Home-Office dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz unterfällt. Eine zusätzliche private Unfallversicherung ist daher zu überlegen.

Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag ab 1. Oktober 2016

Durch das Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechtes vom 17. Februar 2016 ist unter anderem § 309 Nr. 13 BGB dahingehend geändert worden, dass ab dem 1. Oktober 2016 Erklärungen oder Anzeigen nicht an eine strengere Form als die Textform gebunden werden dürfen. Mit Textform im Sinne von § 126b BGB ist z.B. Computerfax, E-Mail, SMS oder auch WhatsApp o.ä. gemeint. Die Neuregelung betrifft Ausschlussfristen und natürlich keine Kündigungserklärung, für die eine gesonderte gesetzliche Regelung in § 623 BGB besteht, nämlich die Schriftform.

Die Gesetzesänderung gilt für alle ab dem 1. Oktober 2016 neu abgeschlossene Arbeitsverträge, aber auch für Arbeitsverträge, die ab diesem Zeitpunkt wesentlich geändert werden.

Wenn daher in einem neuen Arbeitsvertrag ab dem 1. Oktober 2016 die bisher üblicherweise genutzte Klausel verwandt wird, wonach Ansprüche gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend zu machen sind, führt dies dazu, dass eine solche Regelung zulasten des Arbeitnehmers unwirksam ist, den Arbeitgeber jedoch bindet.

Heimliche Aufnahme eines Personalgespräches

Die heimliche Aufnahme eines Personalgespräches mittels Smartphone ist Kündigungsgrund, ohne dass eine vorherige Abmahnung erforderlich wäre.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mainz (Urteil vom 3.2.2016, Az. 7 Sa 220/15) hält die Aufnahme eines Personalgespräches ohne Erlaubnis des Gesprächspartners für eine so schwere Pflichtverletzung des Arbeitnehmers, dass das erforderliche Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber zerstört wäre. Jedem Mitarbeiter müsse das strafrechtliche Verbot des § 201 Absatz 1 Strafgesetzbuch zur Aufnahme des nichtöffentlich gesprochenen Wortes mittels Tonträger bekannt sein. Der Arbeitnehmer hätte stattdessen z.B. um eine Hinzuziehung einer Vertrauensperson oder um Erlaubnis zur Aufnahme des Gespräches bitten können.

Personalgespräche müssten ohne die Befürchtung geführt werden können, dass heimliche Aufnahmen angefertigt würden. Ein Schutz vor heimlichen Aufnahmen sei angesichts moderner Aufnahmetechnik kaum möglich, so dass das heimliche Aufnehmen von Gesprächen an weitreichende Sanktionen zu knüpfen seien.

Anhörung bei der Verdachtskündigung

Zwingende Voraussetzung für den Ausspruch einer Verdachtskündigung ist die Anhörung des Arbeitnehmers oder des Auszubildenden durch den Arbeitgeber.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG, Urteil vom 12.2.2015, Az. 6 AZR 845/13) muss der Arbeitgeber bei der Einladung zur Anhörung grundsätzlich nicht über den beabsichtigten Gesprächsinhalt informieren. Diese Themenbekanntgabe war häufig verlangt worden, damit sich der Arbeitnehmer auf das Gespräch vorbereiten oder entscheiden könne, ob er sich überhaupt einlassen wolle.

Nach Auffassung des BAG spräche gegen die Ankündigung die mögliche Verdunkelungsgefahr und die mögliche Entlastung durch „spontane Reaktion“. Erst bei erkennbarer Überforderung in psychischer Hinsicht oder bei komplexen Sachverhalten sei es ein Gebot der Rücksichtnahmepflicht, die Anhörung zu unterbrechen und ggf. fortzusetzen, wenn der Arbeitnehmer sich inhaltlich einlassen wolle.

Auch wenn der Arbeitnehmer die Hinzuziehung einer Vertrauensperson verlange, müsse die Anhörung unterbrochen werden. Einen Hinweis auf die Möglichkeit der Hinzuziehung einer Vertrauensperson, müsse der Arbeitgeber jedoch nicht geben.